Dieser Eintrag ist einem ganz besonderen Thema gewidmet: Der Hassliebe, die wir in so manchen Punkten dieser Insel gegenüber empfinden. Das betrifft allerlei Phänomene, die wir hier so antreffen. Meist begeistern sie irgendwie, sind aber gleichzeitig auch nervig, frustrierend oder einfach nur ätzend. Aber seht selbst, auf was wir da so stoßen, während die Tage hier so in’s Land ziehen …

Taxen

Taxen sind auf Sansibar so eine Sache. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, sich fortzubewegen und Taxen sind eben eine davon. Kennt man. Ist ja irgendwie international relativ einheitlich. Sollte man meinen. Aber nein, hier ist natürlich wieder alles anders. Das geht beim Taxameter schon mal los. So etwas gibt es hier schlicht und ergreifend nicht. Stattdessen ist der Preis hier – wie bei allem – Verhandlungssache. Und verhandeln tut man hier als braver Mzungu (Europäer, bzw. Weißer) natürlich VORHER. Alles andere ist ja witzlos. Und wenn du dann ausgemacht hast, dass eine Tour zur anderen Seite der Insel dich 40 Dollar kosten soll (jaaaaa, hier wird NICHT in Schilling verhandelt! Und in Euros schon gleich dreimal nicht), suchst du angestrengt den Wechselkurs raus, um herauszufinden, wie viele der rosa 10.000-Schilling-Scheine du dem netten Herren jetzt eigentlich in die Hand drücken musst. Sollte man kein Handy zur Hand haben, haben die Taxifahrer netterweise den Wechselkurs auch immer gleich im Kopf. Und darauf musst du dann wohl oder übel vertrauen. Aber das ist ja nicht mal das Schlimmste. Nein. Was wir hier eigentlich so inbrünstig hasslieben, ist die Tatsache, dass man hier keine Taxen anhält. Nein. Auf Sansibar halten die Taxen DICH an. Teilweise 20 Mal am Tag werden wir angequatscht, ob wir ein Taxi brauchen. Wahlweise von Pause machenden Fahrern am Straßenrand oder eben von Fahrern, die dich völlig unvorbereitet im Vorbeifahren aus dem Fenster heraus anbrüllen. Und ich zucke jedes Mal erschrocken zusammen. Und die Antwort auf JEDES EINZELNE „Nein, danke“ lautet IMMER „maybe tomorrow“ (vielleicht morgen). Immer!

Salat

Ich bin jetzt schon ein paar Mal in die Verlegenheit gekommen, mir in einem Lokal Salat zu bestellen. Jaja, kennt man nicht von mir. Aber bei den Temperaturen kriege eben auch ich nicht jeden Tag die fette Portion Kohlenhydrate mit Fetten und Eiweißen runter. Also bestelle ich mir wie ein braves Kind Salat und hoffe, dass Mama daheim stolz auf mich ist. Das Ding ist jetzt nur folgendes: Egal, wie oft ich auch Salat bestelle, es ist NIE SALAT DRIN! Ernsthaft. Salat gibt’s hier prinzipiell nur ohne Salat. Quasi Salat light. Und ich hätte es nie für möglich gehalten, dass ich das mal sagen würde, aber tatsächlich nervt mich das! Ich habe seit Wochen Bock auf einen knackigen Salat, bekomme den hier aber nicht. Stattdessen bekomme ich eine bunte Gemüsemischung mit Kohl, Möhren, Brokkoli, Tomaten und jeder Menge Paprika. Und wenn ich mir vorher 10 Mal versichern lasse, dass sie kein Paprika rein machen, kann ich mir wenigstens bei der Paprika wirklich immer zu 100 Prozent sicher sein, dass ausgerechnet DIE am Ende auf meinem Teller landet! Ach ja, wer sich jetzt wundert: Nein, Gurken gibt’s hier auch nie. Und so grün diese Insel ist, vermisse ich es, was Grünes zu essen. Nur ausnahmsweise mal. Bitte.

Buschbabies

Sagenumwobene Wesen, die – laut Internet – super-dropsig aussehen und jeden Abend zur Dämmerung herauskommen, um wahllos Touristen auszulachen. Tino und ich könnten schwören, die lachen immer unsere Musikauswahl aus. Und wir würden sie wirklich gerne mal sehen. In live! Aber nein, diese Freude will und will uns nicht vergönnt sein. Mindestens ein Mal am Tag rennen Tino und ich wie die Kloppis mit Taschenlampen im Anschlag durch die Dämmerung und hauen uns die Zehen an, während wir mit dem Kopf im Nacken alle Baumkronen absuchen. Aber Nada. Wir hören sie. JEDEN TAG. Aber wir können sie einfach nicht sehen. Und das macht uns langsam wahnsinnig. Aber vielleicht macht das auch den Reiz aus. Diese kleinen, flauschigen, Mini-Mobber sollen unseren Augen wohl für immer verborgen bleiben, während sie um uns her von Baum zu Baum hüpfen und die dummen Mzungus auslachen.

NACHTRAG: Wir hatten die Schnauze voll und haben uns jetzt auf die Lauer gelegt: Köderbanane platziert, Musik ausgemacht, still verhalten und Taschenlampe im Anschlag. Wir haben gehört, dass da ein Buschbaby direkt im Baum vor unserem Bungalow sein muss! Es muss einfach. Es klang so unglaublich nah!!! Aber es ist wohl, wie überall: Immer muss man erst meckern, damit was passiert. Denn heute war es endlich so weit: Wir haben tatsächlich eines gesehen! Nach dem x-ten Blätterrascheln hatte ich die Nase voll und bin mit der Taschenlampe um den Baum gelaufen. Und da saß es! Groß wie eine Katze, dunkelbraun, mit extrem buschigem Schwanz und riesigen Augen. Guckte mich von seinem Palmblatt an, als könnte es kein Wässerchen trüben. Tino kam natürlich auch gleich und hat zu seinem Glück auch noch einen Blick erhaschen können, ehe es wieder im Dickicht der Baumkrone verschwand. Tino und ich sind sauglücklich. Auch, wenn wir aus der Ferne für unsere Aktion wieder ausgelacht wurden…

Seafood

Ich liebe Seafood! Und Tino auch! Muscheln, Fisch, Calamari, Oktopus. Es gibt nichts, das wir nicht essen. Und zu unserem Glück gibt es hier sogar Seafood. Klar, so auf einer Insel mitten im indischen Ozean. Aber mal ehrlich? So langsam fangen wir an, uns daran zu überfressen. Denn wir fallen hier einer herben Ironie des Schicksals zum Opfer: Weil Seafood hier nichts außergewöhnliches ist, ist es saugünstig. Also wirklich. Tino hatte erst gestern eine Seafoodsuppe. Die war riesig und es waren zwei komplette Oktopusarme drin! Nebst anderen Leckereien, natürlich. Köstlich, sage ich euch! Und wieviel hat sie hier gekostet? Umgerechnet 3,50€. Und das ist der teure Wir-essen-im-Hotelrestaurant-Preis! Und genau da liegt dann auch das Problem. Wir können einfach nicht widerstehen. Also essen wir es wieder. Und wieder. Und wieder. Und so langsam hängen mir die Tentakel zum Hals raus. Und ich sehne mich nach Schwarzbrot, Leberwurst und ja, auch mal wieder einem stinknormalem Salat.

Konyagi

Dieses Höllengesöff ist die prozenthaltige Gesellschaftsdroge zur Unterhaltung der Massen ab Sonnenuntergang in Tansania. Verkauft wurde es uns als Gin. Laut Wikipedia ist das aber ein Zuckerrohrschnaps. Am Ende ist uns das egal. Man kann es prima mit Tonic oder mit Säften mischen. Leider hatten wir beim Kennenlernen einen ungünstigen Start mit diesem hochprozentigen Neuronenkiller. Denn wir haben Konyagi am Rande unserer Freunde und Bekanntschaften hier kennengelernt. Und mit denen waren wir fast ausschließlich feiern. Erwähnte ich, dass die uns hier töten wollen? „Mano-Amano“ … Soll wohl so viel heißen wie „Trink aus!“, klingt in unseren Ohren aber mittlerweile mehr wie „Bis du nicht mehr weißt, wie du heißt!“. Und ganz vorne immer mit dabei? Genau: KONYAGI. Höllengesöff, sag ich euch. Tut, was man von Alkohol erwartet. Ballert. Tatsächlich ist das ja nicht der einzige Alkohol, den man auf dieser muslimisch geprägten Insel bekommt. Man bekommt auch Bier, Wein, Martini, Vodka, Gin, Rum und Whiskey. Aber Konyagi hat das beste Preis-Leistungs-Verhältnis. Oder in unserem Fall: Preis-Leistungs-Verhängnis. Eine 750ml-Flasche kostet umgerechnet vielleicht 4-5 Euro. Nur leider scheint hier keiner unsere Meinung zu teilen, dass das in einer 5-köpfigen Feierrunde locker reichen sollte. Nein, dann müssen es drei von den Flaschen sein. Und wenn du dann am nächsten Morgen mit Schlüpfer auf dem Kopf und leerer Konyagi-Flasche im Arm aufwachst, bist du froh, dass die Flaschen wenigstens nicht eifersüchtig aufeinander sind. Ja, okay. Tino hat an dem Abend irgendwo 50.000 Schilling verloren. Das sind ca 18 Euro. Ist ärgerlich, aber nicht zu ändern. Dafür haben wir Konyagi hasslieben gelernt. Auch jetzt nennen wir eine solche Flasche unseren Mitbewohner. Aber hier ist gottseidank niemand, der uns zum Trinken zwingt. Und so wird aus Mano-Amano eben Pole Pole.

FunFact: Das Maskottchen der Flasche ist ein Mann, der seine Muskeln zur Schau stellt. Und weil der kleine, gedruckte Mann das den lieben langen Tag macht, soll man die Flasche auf dem Tisch immer hinlegen. Damit er sich auch mal ausruhen kann. Also wenn ihr mal irgendwo eine Flasche Konyagi rumliegen seht: Nachschenken und dann liegen lassen 😉

Liebliche Sonne und unerträgliche Hitze

Oh yeah! Du kommst hier an und freust dich. In Deutschland sind es -7°C und Schnee? Tja, hier hat es 31°C und die Sonne scheint vom wolkenlosen Himmel! Klingt ja auch erstmal irgendwie toll. Bis du feststellst: Hier hat es 31°C und die Sonne scheint vom wolkenlosen Himmel ...

Immer. Morgens um 7 genauso wie Abends um 7. Und nach ein paar Stunden kommen dir 31°C gar nicht mehr soooo geil vor. Und so eine Wolke wäre irgendwie auch nett. Oder zwei, wenn man sich was wünschen darf. Und hey, hat der Laden da drüben eine Klimaanlage? Ja? Dann verbringen wir jetzt wohl die nächsten 2 Stunden im Souvenirshop. Gibt ja auch superviel zu sehen hier! Shirts, Shirts, Shirts, Shirts … Oh, eine Gewürzmischung! Wahnsinn, FlipFlops haben die auch!

Der Spaß geht ja schon damit los, dass du, sobald es dunkel wird, die abenteuerlichsten Pläne schmiedest. „Morgen gehen wir richtig ausgedehnt die 10 Kilometer am Strand spazieren!“ In dem Moment, in demdu am nächsten Morgen schweißgebadet aufwachst, sieht die Welt aber schon ganz anders aus. Da verwünschst du den Ventilator und all seine Kollegen, dass die sich doch mal Mühe geben könnten und fängst eine spontane Liebelei mit der Dusche an. Nur um beim Abtrocknen festzustellen: So richtig will das auch nicht klappen. Ich war seit gefühlten Wochen nicht mehr richtig trocken und checke mittlerweile jeden Morgen, ob mir schon Kiemen und Flossen gewachsen sind. Entwarnung: Noch sieht alles gut aus. Und in der brüllenden Mittagshitze sitzt du im Schatten, wartest verzweifelt auf ein laues Lüftchen und fragst dich, wie die Sonne das so präzise hinbekommt? Klamotten auf der Wäscheleine werden immer akkurat trocken. Aber auf deinem Körper? Zack, nass! Der findige Leser wird sich jetzt denken: Was meckern die? Die haben den Ozean vor der Tür, sollen sie halt zur Abkühlung ins Wasser hüpfen! Aber Pustekuchen! Das Wasser mit seinen 28°C hier taugt locker, um sich aufzuwärmen, falls einem mal kalt sein sollte. Wir haben hier sogar einige sehr flache Stellen gefunden, in denen es sogar noch schlimmer ist. Da könnte man locker ein Ei reinlegen und sich 30 Minuten später wieder hartgekocht abholen. Hach ja, was ist das Wetter nicht schön …

Preise und die Sache mit dem Geld

Erstmal: Wer zum Kuckuck hat sich diese Währung ausgedacht? Mal ernsthaft, der Kurs geht in keinen vernünftigen Touri-Schädel. Ein Euro entspricht 2.769 Tansania-Schilling. Ja nee, ist klar. Das ist nichts, was du unterwegs mal eben überschlägst und umrechnest. Nicht wie Lira (1:10), Leva (1:2) oder meinetwegen auch Dollar (ca. 1:1). Nö. 1:2769. Und dann kommt einer um die Ecke und will für irgendwas 80.000 Schilling. Und du stehst wie die Kuh vorm Riesenrad und verbiegst dir das hitzegebeutelte Hirn, um herauszufinden, ob das jetzt viel oder wenig ist. Noch verwirrender wird es, wenn du Geld umtauschen willst. Da gibst du vier 50-Euro-Scheine hinter den Tresen und wirst plötzlich mit Geldbündeln abgeworfen. Ja, wir hatten tatsächlich mittlerweile schon mal eine Million in der Hand. Fühlt sich schon krass an. Bis du dir klar machst, dass das gerade mal 400 Euro und dein halbes Monatsbudget sind. Nach drei Tagen der Ratlosigkeit kam Tino mit einer grandiosen Idee um die Ecke: Eine Tabelle mit den gängigsten Summen und dem entsprechenden Euro-Betrag. Ich habe uns so eine Schönheit gebastelt und die haben wir jetzt beide jeweils als Bildschirmhintergrund auf dem Handy. So müssen wir nicht immer erst umständlich suchen, sondern können – nach einem unauffälligem Blick aufs Handy – unsere Verhandlungsgespräche souverän fortsetzen. Das Ganze hat allerdings auch einen Haken: Vieles hier ist saubillig. Mal ein paar Beispiele:

1 Brötchen: 100 Schilling à 3,5 Cent

1 Schachtel Zigaretten: 2.000-5.000 Schilling (je nach Marke) à 0,70-1,75€

1 gegrillter Fisch: 700 Schilling à 25 Cent

1 Fleischspieß: 500 Schilling à 18 Cent

1 Ananas: 2.000 Schilling à 70 Cent

1 Bier: 3.000-6.000 Schilling (Je nach Region) à 1,05-2,00€

1 Seafoodsuppe: 10.000 Schilling à 3,51€

1 Flasche Konyagi: 12.000-15.000 Schilling à 4,20-5,50€

Und der Haken ist: Du verlierst irgendwann den Bezug. Den ganzen Tag hast du mit Tausendern zu tun, die irgendwie gleichzeitig nix wert sind und da verlierst du extrem schnell den Überblick, wie schnell dein Budget jetzt eigentlich dahinschmilzt oder eben nicht.

Erschwerend kommt hinzu, dass der größte Schein hier der 10.000-Schilling-Schein ist. Ich kann nicht ausschließen, dass es noch größere gibt, aber wir für unseren Teil haben so ein Tierchen noch nicht gesehen. Dann gehst du also 400 Euro wechseln und bekommst für deine 8 Scheine 1 Mio in 10.000er-Scheinen wieder. Wer rechnen kann, weiß selbst, mit wie viel Bargeld wir da abgeschmissen werden. Und dann kommt auch schon das nächste Problem: Du bezahlst praktisch alles – vom Brötchen bis zum Konyagi – mit diesen 10.000er-Scheinen. Und wartest dann auf das Wechselgeld. Das will dann nämlich plötzlich keiner haben. Wie oft wir hier schon Verkäufer auf der scheinbar verzweifelten Suche nach Wechslgeld mit unseren Scheinen haben davonlaufen sehen… Aber Gott sei Dank sind sie bis jetzt immer wiedergekommen und hatten dann auf wundersame Weise Wechselgeld dabei.

Korallenstein

Stonetown, übersetzt Steinstadt, heißt nicht ohne Grund so: Die Häuser sind massiv aus Stein gebaut. Und nicht irgendwelcher Stein, sondern Korallenstein. Das bietet sich auch an, denn die ganze Insel ist ein einziges, versteinertes Korallenriff aus längst vergangener Zeit. Und so schön der Anblick der Mauern und Häuser aus diesen einzigartigen Material auch ist, so sehr hassen wir Korallenstein mittlerweile. Leider verstecken sich diese Steine nämlich nicht nur in Mauerwerk, sondern auch in Form spitzer Steine und Steinchen auf unbefestigten Straßen. Heißt in unserem Fall: ÜBERALL! Und so viel Korallenstein es hier gibt, so wenig gibt es etwas, das den Namen „Straßenbeleuchtung“ verdient hätte. Also stolpern wir hier regelmäßig ab 18/19 Uhr durch die Dunkelheit, über ebenjene unbefestigte Straßen. Natürlich tragen wir keine Wanderschuhe mit Stahlkappen. Das wäre ja zu einfach. Stattdessen stolpern wir mit FlipFlops und Latschen durch die Gegend. Meist unter erschwerten Bedingungen: Auf dem Rückweg von irgendeiner Bar. Mama, so leid es mir tut: Wir trinken da keine Milch.

Ihr wollt nicht wissen, wie Tinos linker Fuß mittlerweile aussieht. Und bevor einer fragt: Ich habe keinen blassen Schimmer, warum sich der Bengel ausgerechnet immer den LINKEN Fuß anhaut. Aber seine Zehen haben mittlerweile mehr Ähnlichkeit mit Hackfleisch und das macht mir Sorge. Um dem Ganzen aber noch die Krone aufzusetzen, hat es heute Morgen auch noch wie bekloppt geregnet. Geschüttet und gestürmt trifft es wohl eher. Jetzt zieren unsere Straßen hier lauter Pfützen mit den Ausmaßen meiner ersten Wohnung. Und der Sand verwandelte sich auf magische Weise in glibschigen Matsch und die Steine haben keine Güte, plötzlich weniger spitz, scharfkantig oder ganz weg zu sein. Korallensteine… Tolle Sache das.

Tierwelt

Die Tierwelt hier ist cool. Und das Adjektiv hat sie sich alleine schon damit verdient, dass sie nicht nur aus Tauben und Ratten besteht. Als Stadtkind ist der Fuchs auf unserem Hinterhof ja schon das absolute Highlight für mich. Hier hingegen wohnen wir praktisch im Tierpark. Und das ist – auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen – eben saucool.

Du siehst hier Hunde, Katzen, Affen, Schildkröten, Geckos ohne Ende, Fische, bunte Vögel, mit Glück ein Buschbaby und sogar mal ein Rotschulter-Rüsselhündchen. Wem letzteres nix sagt: Google fragen. Extrem possierliches Tierchen! Sogar Eichelhäher und Eichhörnchen muss man hier nicht missen, falls einem die Heimat fehlt. Und auch Antilopen soll es hier geben! Aber uns war der Anblick bisher nicht vergönnt. Stattdessen durften wir auch mit der nicht ganz so angenehmen Seite Kontakt aufnehmen.

Da hätten wir beispielsweise Mücken. Die Drecksviecher kennt man ja. Aber als wären sie nicht per se schon nervig und würden einen mit den juckenden Pusteln, die sie als Gruß hinterlassen, nicht schon genug aufregen, kann man sich bei den Exemplaren hier auf einen weiteren Nebeneffekt freuen: Man könnte Malaria kriegen! Und selbst, wenn man keine kriegt (angeblich ist Malaria seit 1997 auf der Insel ausgerottet), halten sie einen immernoch seeeeehr effektiv vom Schlafen ab. Yay …

Dann gibt es noch Steinfische. Wem auch das nix sagt: Google befragen. Diese hässlichen Mistkröten liegen gerne im warmen Wasser gemütlicher Buchten und warten scheinbar nur darauf, dass mal ein unbedarfter Tourist drauflatscht. Und dann hat der Touri den Salat. Die haben da nämlich ein Gift, das dermaßen schmerzhaft ist, dass man locker einen anaphylaktischen Schock davontragen kann. Gemein-gefährlich.

Außerdem hat die Insel Rochen zu bieten. Stachelrochen. Ja, wie die, die Steve Irwin, den Tierflüsterer / Crocodile-Dundee, auf dem Gewissen haben.

Und wenn du denkst, dann hältst du dich lieber an die Flora, als an die Fauna: Pech gehabt. Um einen Kumpel zu zitieren: Nicht an Lianen ziehen, es könnte eine Schlange sein. Geeeenau. Die wohnen hier auch. Und nicht gemütlich-bequem in einem Glaskasten, sondern mittendrin im selben Paradies wie du. Ja, auch giftige.

Was tut der findige Tourist also? Er bewegt sich auf vermeintlich sicherem Terrain zwischen Meer und Urwald: Am Strand. Aber da gibt es Krabben und Krebstiere. Und zwar genug, um in Russland einzumarschieren. An sich erstmal nix schlimmes. Nein, sie kneifen einen nicht und giftig sind sie auch nicht. Im Gegenteil, sie sind eher scheu und mitunter sauschnell, wenn Wegrennen angesagt ist. Aber solange Ebbe herrscht, verstecken sich die Tierchen in kleinen, selbstgebuddelten Löchern im Sand. Und da warten sie quasi auf bessere Zeiten. Oder darauf, dass ein Touri vorbeikommt, der aussieht, als hätte er einen Herzinfarkt vonnöten. Und dann gucken sie für den Bruchteil einer Sekunde aus ihrem Loch, genau an der Stelle, auf die du eben noch deinen Fuß setzen wolltest. Das führt dazu, dass du wie ein Schießhund aufpasst, wo du deinen Fuß hinsetzt. Willst ja als tierlieber Mensch niemandem wehtun. Aber diese Ablenkung machen sich dann wiederum andere Kollegen zunutze und rennen dir im Affenzahn ohne Ankündigung über den Fuß, wenn du nicht hinguckst. Und zack: Schon hast du deinen wohlverdienten Urlaubs-Herzinfarkt.

Pole Pole

Das heißt so viel wie „Langsam“. Und entspricht in etwa dem Lebensmotto der Sansibari. Hier passiert nämlich nichts schnell oder in Hektik. Alles ist pole pole. Und das ist ja auch irgendwie nett, weil es so schön entspannt ist. Aber wenn du dann mal ein Eis kaufen willst und dem Verkäufer zusiehst, wie er mit deinem Eis und deinem 10.000er-Schein 10 Minuten durch die Gegend schlurft, um Wechselgeld bei seinen Kollegen zu besorgen, geht dir pole pole plötzlich ziemlich schnell auf den Sack. Denn statt seine Kollegen einfach anzuquatschen, steht er mit deinem schmelzenden Eis in der Hand hinter seinem Kollegen, guckt dem beim Arbeiten zu, fragt ihn dann und hält anschließend noch ein kleines Pläuschchen. Und schon hast du den doppelten Preis für dein Eis gezahlt, die andere Hälfte liegt nämlich in Tropfen verteilt auf der Straße. Aber wenigstens hat der liebe Mann pole pole gemacht.

Das Phänomen Doppelwort

„pole pole“ ist nur eine der sprachlichen Kuriositäten hier. Wir hätten noch „Mano-Amano“ (trink aus), „Dala Dala“ (öffentliches Transportmittel Bus), „Boda Boda“ (öffentliches Transportmittel Moped) und „peku peku“ (barfuß). Das sind zumindest die, die wir in unserem begrenzten Wortschatz bisher kennenlernen durften. Und wir sind verwirrt. Warum zum Kuckuck werden die Worte hier gedoppelt?! Ja, am Anfang war es ja ganz witzig. Aber eben nur, bis du deinem frisch Angetrauten mit „Jaja“ antwortest und erst hinterher merkst, dass du damit vermutlich der Auslöser für die kleine Streiterei warst…

Kampf um’s und mit dem Essen

Das Leben hier auf Sansibar gestaltet sich für uns sehr ursprünglich. Und abenteuerlich. Und irgendwie aufregend. Hier kämpfst du nämlich noch um dein Essen. In unserem Fall mit dem Verkäufer am Street-Food-Stand. Du verhandelst und versuchst freundlich zu bleiben. Aber egal, wie du versuchst, es ihm zu verklickern: Er behauptet steif und fest, fast 4 Euro seien nicht zu viel für einen Fleischspieß mit nur drei gulaschgroßen Würfeln sehnigen Rindfleischs. Und wenn du diesen Kampf dann irgendwann so einigermaßen zu deinen Gunsten entschieden hast, steht der nächste Kampf in’s Haus: Der, mit dem Essen selbst. Die Mishkaki (Fleischspieße) gibt es hier nämlich mit Huhn oder mit Rind. Und spätestens die Hühnchenspieße sind für meinen mastfleischverwöhnten Gaumen eine echte Herausforderung. Jeder der drei Würfel besteht nämlich fast immer zu mindestens 50% aus Fett, Knorpel, Knochen oder Sehnen. Versteht mich nicht falsch, wir haben hier auch schon äußerst köstlich gespeist. Aber gerade die Fleischspieße auf dem Forodhani-Street-Food-Markt sind eine Art Umschlagsplatz für Schlachtreste, die überteuert an Touristen verkauft werden. Zumindest kam es mir so vor. Deshalb werde ich dort auch keine Fleischspieße mehr kaufen. Die Zanzibar-Pizza, das Schawarma, das Seafood: Alles Dinge, die man sich sehr gerne gönnen kann. Aber von Fleischspießen lasse ich hier künftig die Finger. Ich werde um den Verhandlungskampf um’s Essen ja schwerlich herumkommen. Aber nach der Plackerei möchte ich nicht mehr erleben, wie sich meine Beute gegen ihre Verspeisung wehrt.

Boda Boda

Erwähnte ich schon diese halblegalen „öffentlichen Transportmittel“? Das sind Mopeds. Und da darfst du einfach hintendrauf hüpfen und dich kutschieren lassen. Natürlich ohne Helm. Mit überhöhter Geschwindigkeit. Im Linksverkehr. Und um Geld zu sparen, kann man auch zu zweit draufhüpfen. Das nennt sich dann (in Anlehnung an die Fleischspieße) „Mishkaki“. Festhalten ist da auch ein sehr vages Konzept. Aber falls es dir missfällt, deine Finger panisch in die Rippen deines Fahrers zu krallen, kannst du auch einfach hinter dich den Gepäckträger greifen. Und ihn bei der Gelegenheit auch gleich verbiegen. Ernsthaft, wir sind jetzt ein Mal Boda Boda gefahren. Und ich fand es dermaßen berauschend, dass mir nach nur 10 Metern klar war: Das mache ich NIE WIEDER! Tino lacht mich immer noch aus. Und ich mich selbst ja auch irgendwo. Hier fahren echt Alle mit Boda Boda: Muttis, Kinder, Männer, Frauen, Omis. Nur STVO-Michi traut sich nicht. Würde ich das Moped selbst steuern, wäre es vermutlich auch kein Thema. Aber hilflos und unangeschnallt hinten drauf sitzen? Ne, danke. Ich war mir zwischendrin sicher, dass mein Fahrer es nicht mitbekommen hätte, wenn ich einfach in der Kurve von seinem Moped geflogen wäre. Und das macht mir Angst. Denn wenn mich keiner vermisst, tut das schon innerlich weh …

(Links-)Verkehr

Als wäre die an Absicht grenzende Missachtung der STVO hier nicht schon abenteuerlich genug, fahren die hier auch noch auf der falschen Seite. Jaja, ich rege mich da alle Nase lang drüber auf. Aber es ist mir auch wirklich ein Dorn im Auge. Oder eben ein Kleinwagen im Brustkorb. Denn so sehr ich „weiß“, dass es hier andersrum ist, komme ich doch nicht aus meiner Haut. Ich gucke TROTZDEM beim Überqueren der Straße erst nach links. Und ich stehe auch häufiger, als es mir lieb ist, wie ein Vollidiot auf der falschen Seite vom Taxi. Tinos und meinen Schreikrampf im ersten Kreisverkehr möchte ich an der Stelle gar nicht erwähnen.

Und wenn du dann denkst, du hast den Bogen langsam raus, fallen sie dir plötzlich auf: Die ganzen kleinen Ungenauigkeiten. Da wird spontan über den Bürgersteig gefahren. In jede noch so kleine Lücke wird sich reingequetscht. Unser Taxi hat allen Ernstes auch mal eine Passantin mit dem Seitenspiegel getroffen. Gottseidank ohne Verletzte. Aber Seitenspiegel scheinen hier sowieso eher so eine Art Pufferzone zu sein. Und wenn selbiger dann plötzlich fehlt, hat das ja nur Vorteile, weil man da nun nix mehr kaputt machen kann. Und wo ich so darüber nachdenke: Ich habe hier NOCH KEINE EINZIGE Ampel gesehen! Das war sowieso der erste Kulturschock hier:

An unserem ersten Tag kamen wir in Stonetown an und hatten ziemlichen Hunger. Ich wusste von vorherigen Recherchen, dass wir vermutlich auf dem Darajani-Markt fündig werden. Also habe ich Tino und mich da hingelotst. Was wir nicht wussten: Einmal durch den Darajani führt eine große Hauptverkehrsstraße. Beinahe alle Dala-Dalas der Insel quetschen sich mindestens ein Mal am Tag über diese Straße. Gemeinsam mit LKW’s, PKW’s, Mopeds und Gefährten, die verdächtig nach Rikscha aussehen. Es kam, wie es kommen musste: Der Essensstand war genau auf der gegenüberliegenden Seite. Aber wie kommt man da jetzt rüber? Wir beschließen, uns an einen Einheimischen zu hängen, der da auch gerade auf eine Lücke wartete. Der lief dann aber von jetzt auf gleich so schnell los, dass Tino und ich den Anschluss verpasst haben. Als er schon halb rüber war, haben wir uns auch einen Ruck gegeben: Hände über den Kopf und panisch schreiend hinterherrennen. Sehr zur Belustigung der umstehenden Menschen. Mit dem Puls auf 180 wegen des ungeplanten Sprints blieb uns dann nichts anderes übrig, als höflich zu lächeln und zu winken, während uns alles und jeder ausgelacht hat.

Rafiki, Brüder und Schwestern

„Rafiki“ heißt so viel wie „Freund“. (Jaaaa, die Namenswahl bei König der Löwen ergibt plötzlich tiefgreifend Sinn)

Und „Rafiki“ wird hier inflationär gebraucht, um Touristen anzusprechen. Um sie in trügerischer Sicherheit zu wiegen. Um ihnen das Gefühl zu geben, sie würden nicht gerade mit einem Lächeln auf den Lippen volles Lieschen über den Tisch gezogen werden. Auch wir sind natürlich schon auf diesen perfiden Trick hereingefallen. Wie blutige Anfänger, gleich am ersten Tag. Und statt – wie später dann bei uns üblich – 10.000 Schilling für eine Mahlzeit zu zweit auszugeben, haben wir 45.000 Schilling gezahlt.

Egal, wo wir hinkommen, heißt es regelmäßig „Hey Bruder“, oder „Hey Schwester“! Eine Angewohnheit, die mich rasend macht. Ich habe eine Schwester und nur die darf mich so nennen! Da werde ich fuchsig. Aber wenn mittlerweile mal wieder jemand um die Ecke kommt und uns mit Rafiki anspricht, stehe ich kurz vor einem Heulkrampf. Jedes Mal geht mir dieselbe Antwort durch den Kopf.

„NEIN! Ich will nicht dein Freund sein! Ich weiß, wie ihr hier eure Freunde behandelt!“

Also werfe ich mich zur Antwort Tino schluchzend in die Arme, der mir beruhigend über den Rücken streicht und mich wegführt, während er den verdatterten Touri-Fänger böse anguckt. Tja, meine Rafikis: Rache ist Blutwurst.