Tino und ich machen einen Ausflug! Unseren ersten. Hier kann man dermaßen viel machen, dass unser Geld nicht für alles reichen wird. Aber die besten Sachen wollen wir uns trotzdem rauspicken und gönnen. Und heute steht Prison Island auf dem Programm! „Prison Island“ heißt eigentlich Changuu und ist ...


Tino und ich machen einen Ausflug! Unseren ersten. Hier kann man dermaßen viel machen, dass unser Geld nicht für alles reichen wird. Aber die besten Sachen wollen wir uns trotzdem rauspicken und gönnen. Und heute steht Prison Island auf dem Programm! „Prison Island“ heißt eigentlich Changuu und ist eine kleine Insel ca. 5 km vor der Westküste Sansibars. Die Insel liegt also praktisch vor unserer Haustür. Sie ist mit 800 x 230 Metern nicht sonderlich groß, aber dafür sehr grün, wie wir schon von Weitem erkennen. Die Überfahrt mit dem Boot dauert etwa 30 Minuten.

Unterwegs kommen wir an mehreren anderen Booten vorbei. Eines davon ist ein traditionelles, kleines Bott mit dreieckigem Segeltuch. Die sieht man hier häufig und vor dem Anblick eines Sonnenuntergangs macht ihre typische Silhouette einen großen Teil der Romantik aus.

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Traditionelles Seegelboot der Fischer

Ursprünglich (ca. 1893) sollte die Insel als Gefängnisinsel für Gewalttäter vom Festland dienen. Daher der Name: Prison = Gefängnis.

Nach einer drohenden Gelbfieberepidemie, ausgehend von Stonetown, wurde die Insel aber kurzerhand in eine Quarantänestation umgewandelt. Danach diente sie vorerst als Erholungsort und Ausflugziel. 1913 wurde die Insel erneut Quarantänestation und so mussten beispielsweise Reisende aus Indien zwischen 1 und 2 Wochen auf der Insel Changuu verbringen, ehe sie nach Unguja – der Hauptinsel Sansibars, auf der wir auch sind – einreisen durften. Heute wird die Insel aber nicht mehr als Quarantänestation genutzt.

Besonders an der Insel sind ihre einzigen Bewohner: Aldabra-Riesenschildkröten. Vier Stück wurden der Insel 1919 vom britischen Gouverneur der Seychellen geschenkt, die sich hier in Ermangelung von Fressfeinden gut vermehrten. Es waren über 200 Tiere auf der Insel. Leider wurden viele Tiere gestohlen, bis sich der Bestand auf nur 7 Tiere im Jahr 1996 reduzierte. Man wollte den Bestand zwischendurch mit 80 neuen Babys auffüllen, aber auch von diesen verschwand die Hälfte. Seitdem werden jedoch weiterhin Exemplare importiert. 2000 dann – vor nunmehr 21 Jahren – waren es 157 Schildkröten auf der Insel, deren Bestand seit Jahren von diversen Organisationen strikt geschützt wird.

Unsere Erkundungstour der Insel kostet uns 4 US-Dollar pro Nase. Leider können wir jedoch nur gut die Hälfte der Insel wirklich besichtigen. Wir erfahren, dass dort bis zum Corona-Lockdown irgendein wohlhabender Typ eine Hotelanlage bauen wollte. Dieses Vorhaben wurde mittendrin abgebrochen und seitdem ist die Hälfte der Insel eine Baustelle. Davon sehen wir nicht viel, weil dieser Bereich abgesperrt und vor Blicken und Zutritt geschützt ist.

Bis dahin winden sich aber Pfade durch einen dschungelartigen Wald. Hier stehen verteilt ein paar Häuser und sogar einen Pool finden wir. Ironischerweise steht sogar ein Schild dabei, das das Schwimmen im Pool nur den Hotelgästen erlaubt sei.

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Überreste der Hotelanlage, die hier entstehen sollte

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gewundene Pfade inmitten eines tropischen Waldes

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rieeeeeesiger Baum auf der ehemalig-zukünftigen Hotelanlage. Bestimmt anderthalb Meter im Durchmesser!

Wie wir da so entlang laufen und uns darauf freuen, nach der Erkundungstour die Schildkröten zu sehen, laufen wir plötzlich an einem Tier vorbei, das ich hier absolut nicht erwartet habe: Eine Pfauenmama mit Küken. Total entzückt schmachte ich die beiden hübschen an und schieße ein schnelles Foto.

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Pfauenmama mit Küken

Weiter hinten auf der Insel kommen wir an einem großen Baum vorbei, unter dem ein Haufen Blüten auf dem Boden verstreut liegen. Keine Ahnung, wie die heißen, aber ich kenne sie von Holzschnitzereien und Malereien. Umso erstaunter bin ich, hier lauter lebensechte Exemplare rumliegen zu sehen, von denen ich mir natürlich sofort eine hinters Ohr klemme. Frau will ja hübsch sein!

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mit Blüte aufgehübschte Michi

Außerdem finden wir hier Bäume voller Lianen und Wurzeln, die sich in das alte Mauerwerk hineinfressen. Es erinnert ein wenig an Angkor Wat und wir stellen fest, wie sehr dieser Spruch stimmt: Am Ende holt sich die Natur alles wieder. Auch hier. Denn genau wie in Angkor Wat wachsen auch hier einfach Bäume AUF den menschengemachten, steinigen Mauern. Sogar in Hauswände hinein arbeiten sich die Wurzeln.

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Hochleistungs-Wurzelwerk...

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...erinnert ein wenig an Bilder aus Angkor Wat

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...vielleicht auch etwas mehr.

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Heißer Tipp der Einheimischen: Nicht an Lianen ziehen, es könnte eine Schlange sein!

Nach dem Spaziergang gehen wir zurück zum Eingang und finden schnell den abgetrennten Bereich für die Schildkröten: Genau da, wo alle Touristen rein wollen! Beim Betreten werden uns ein paar Kohlblätter in die Hand gedrückt: Wir dürfen die Tiere aus der Hand füttern. Doch wir sind erstmal geplättet von der Größe dieser Wuchtbrummen. Die sind riesig. Der Name RIESENschildkröte ist durchaus berechtigt. Überall wuseln verhältnismäßig schnelle Menschen durch die Scharen an gemächlichen, gepanzerten Echsen.

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Inselhighlight: Riesenschildkröten

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Paradies für die Riesen: ein Haufen Kohl als All-You-Can-Eat-Buffet!
Leider setzen einige Eltern ihre Kinder für Fotos auf den Panzer der Schildkröten - das finden wir weniger toll

Wir gucken uns kurz um und suchen dann ein einsames Exemplar heraus, um das sich gerade keine Menschen tummeln. Wir füttern sie genüsslich mit den Kohlblättern. Glücklich und in Zeitlupe schnurpst die Schildkröte ihr Salatblatt und ich nutze die Gelegenheit, sie anzufassen. Das Gefühl der Haut im Halsbereich ist abenteuerlich: Als würde sehr altes Leder auf einer glitschigen Geloberfläche liegen. Von Nahem sehen sie aus wie Drachen. Die Schildkröten sind alle unterschiedlich alt und dementsprechend unterschiedlich groß. Sogar ein paar kleine Exemplare (vermutlich Babys) können wir in einem gesonderten Bereich entdecken. Außerdem finden wir einen kleinen Sumpf, in dem gerade ein paar der Kollegen ein Schläfchen halten. Dieser Anblick ist ziemlich verstörend. Außer dem Panzer ragt nämlich nichts aus dem Matsch und ich fühle mich unangenehm an den Anblick von Leuten erinnert, die mit der Decke über dem Kopf schlafen. Oder an Azo, den Whippet meiner Schwester, der sich IMMER unter der Decke ausruht. Absoluter Horror in meinen Augen: Da kriegt man doch keine Luft!!!

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Ausgiebiges Schlammbad als Verjüngungskur? Scheint zumindest nicht zu schaden.

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Ich habe einen von denen als Papa des Kükens im Verdacht. Zugeben wollte es aber keiner.

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regelrecht winzige Baby-Schildkröte: gerade mal so groß wie ein Laib Brot

Natürlich lassen wir es uns nicht nehmen, auch ein paar Selfies mit diesen urzeitlichen Tieren zu schießen und das eine oder andere Video zu drehen! Die Schildkröten scheinen keinen Schmerz zu kennen und lassen alles mit stoischer Gelassenheit über sich ergehen, von der ich mir gerne eine Scheibe abschneiden würde. Das geht so weit, dass mittendrin einer der Herren beschließt, den menschlichen Kindern mal zu zeigen, wo die kleinen Babyschildkröten herkommen. Ohne Hast, aber sehr zielstrebig besteigt er das nächstbeste Weibchen und gröhlt dann regelrecht vor sich hin. An sich dauert der Akt auch gar nicht lange. Vielleicht 2 Minuten.

 Video zur Schildkrötenpaarung

Aber in Summe ist das eine zeitraubende Aktivität. Das Männchen muss sich nicht nur draufbugsieren, nein! Viel anstrengender scheint es für ihn am Ende zu sein, wieder HINUNTER zu kommen. So mit Panzer und vergleichsweisen kurzen Ärmchen ist das gar nicht so einfach. Und mal eben helfen kann leider auch niemand. Das Männchen ist nämlich riesig und wiegt gut und gerne 150-200 kg, wie mir ein Mitarbeiter dort erklärt. Ihn frage ich auch gleich, was es mit der blauen Farbe auf dem Panzer der größeren Exemplare auf sich hat. Tatsächlich ist die stellenweise ziemlich abgeplatzt, aber als er mich darauf aufmerksam macht, erkenne ich es. Es ist eine Zahl. Und nicht irgendeine. Das ist das Alter der Tiere. Und plötzlich ist sie dann doch sehr ehrfurchtgebietend, diese 137 Jahre alte Schildkröte. Amüsiert gucke ich Tino an und frage ihn, ob er in dem Alter auch noch so viel Enthusiasmus zeigt. Lachend schüttelt er den Kopf. Jaja, ist schon krass, so eine Schildkröte.

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ERWÄHNTE ICH, DASS DIE VIECHER RIESIG SIND?!?

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Aber langsam und tiefenentspannt sind sie auch :)

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Und gefräßig! So als reiner Veganer muss man aber auch echt zusehen, wo man die Kalorien herbekommt...

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Unbeschreibliches Gefühl, so ein altes Wesen anzufassen!

Danach versammeln sich alle Mitreisenden wieder am traumhaften Strand von Prison Island.

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Als wäre man in einem Reisekatalog aufgewacht...

Unser Bootsfahrer bringt uns zu einem kleinen Korallenriff in etwa 300 Metern Entfernung. Ob es wirklich 300 Meter waren? – Keine Ahnung! Ich bin sonst ganz gut, wenn es um das Abschätzen von Entfernungen geht, aber auf offenem Wasser versage ich. Vielleicht waren es auch 700 Meter, wer weiß das schon. Aber die Fahrt dauerte nicht lange. Am längsten dauerte es für ihn, eine gute Position zu finden und diese zu halten. Und wo er es halten muss, gibt es für Tino und mich kein Halten mehr. Klamotten runter, Schnorchelmasken drauf und ab in’s bunte Nass! Tatsächlich ist sich Tino zuerst unsicher, ob er wirklich vom Bootsrand springen soll. Aber ich bin eine gute Ehefrau und nehme ihm die Entscheidung einfach ab: Ich schubse ihn. Kichernd stehe ich daneben und warte, ob er wieder auftaucht. Spoiler: Er ist nicht abgesoffen.

Also springe ich beherzt hinterher und dann gucken wir uns gemeinsam um. Es gibt auch ein Video davon, darauf müsst ihr allerdings noch etwas warten. Ist nicht so einfach, Mama eine so große Datei zu schicken, damit sie hier in den Text eingebunden werden kann!

Wir entdecken hier alle möglichen Raritäten: unsere ersten Korallen, unsere ersten Seeigel, unsere ersten Clownfische!!! Und tatsächlich leuchten die Fische im Salzwasser irgendwie mehr – wie manch einer von euch es vielleicht auch schon bemerkt hat, wenn er sich die Salzwasseraquarien von Tierpark, Zoo und Co angeguckt hat. Es sind nicht viele Tiere hier, aber wir finden sie trotzdem und genießen den Anblick im warmen Wasser. Die Korallen sind nicht so farbenfroh, wie man es vielleicht aus Dokufilmen über Australien oder Hawaii kennt. Trotzdem ist der Anblick atemberaubend.

Leider bleibt uns diese Erfahrung nicht allzu lange vergönnt. Nach gerade mal 30 Minuten pfeift der Bootsführer uns und die anderen zurück, weil er zur Hauptinsel zurück muss. Wie es aussieht, will er noch die Nachmittagsfuhre an Touris abgreifen. Also krabbeln wir zurück auf unsere Jolle und trocknen in der warmen Meeresbrise, während wir zurückdüsen.

Zurück auf der Insel bleibt uns nur zu tun, was wir immer tun: Durch die Gassen laufen, stöbern, Bierchen trinken und essen.

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Michis Liebling: ZANZIBAR-PIZZA! (Hier links im Bild)
Ist nicht vergleichbar mit einer italienischen Pizza! Gemüse, Hackfleisch und Mayo werden mit einem Eivermengt, dann in ein wenig Teig eingeschlagen und gebruzelt. HERRLICH!

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Fressalien ohne Ende auf dem Forodhani

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Schmuck hat hier irgendwie eine andere Größenordnung

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Auch, wenn es "europäerfreundliche" Varationen gibt

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Aber es ist alles soooooo bunt!

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Exzentrische Architektur. Oder Maßnahmen zum Denkmalschutz? Man weiß es nicht...

Der Punkt „Bier trinken“ gestaltet sich allerdings zunehmend schwieriger. Keine Ahnung wieso, aber wir stellen die folgenden Tage fest, dass man scheinbar nirgends mehr Bier bekommt. Das scheint momentan auf der Insel Mangelware zu sein. Und auf Nachfrage in unserer liebsten Absteige – dem Traveller’s Cafe – erfahren wir, dass es Lieferschwierigkeiten gibt … Arme Michi :/