Wir verbringen einen entspannten 30.12.2020 und gammeln vor uns hin. Spät abends treffen wir uns mit Bodea, den wir hier kennengelernt haben. Er ist Künstler und viel herumgekommen. Er will versuchen, uns bei der Organisation einer SIM-Karte zu helfen. Wir sitzen mit ihm in einer Strandbar und er erzählt uns, dass hier vor dem Strand, an dem wir gerade sitzen, hin und wieder mal Delfine vorbeischwimmen.
Wir verbringen einen entspannten 30.12.2020 und gammeln vor uns hin. Spät abends treffen wir uns mit Bodea, den wir hier kennengelernt haben. Er ist Künstler und viel herumgekommen. Er will versuchen, uns bei der Organisation einer SIM-Karte zu helfen. Wir sitzen mit ihm in einer Strandbar und er erzählt uns, dass hier vor dem Strand, an dem wir gerade sitzen, hin und wieder mal Delfine vorbeischwimmen.
Malerische Sonnenuntergänge auf Sansibar
Und wie er das erzählt, passiert plötzlich genau das Unfassbare: Aus dem Wasser sehen wir die Rückenflosse eines Delfins auftauchen, während sich der Sonnenuntergang in den schönsten Farben auf dem Wasser spiegelt. Wir trauen unseren Augen kaum. Der Anblick ähnelt einem kitschigen Postkartenmotiv und es ist derart unwirklich, dass ich spontan Regebögen kotzen möchte. Tino und ich grinsen wie zwei Honigkuchenpferde über das surreale Erlebnis und kriegen uns den Rest des Abends nicht mehr über diesen unglaublichen Zufall ein.
Und dann ist es soweit, der Jahreswechsel steht vor der Tür! Wie wir in der Zwischenzeit von mehreren Seiten erfahren haben, verbringt man den auf Sansibar aber nicht in der Großstadt. Tatsächlich sollen Sansibar-Stadt und Stonetown zu dieser Zeit eher wie ausgestorben sein. Nein, wer etwas von Silvester hält, verbringt das Fest im Norden der Insel: in Nungwi oder Kendwa. Und wie es der Zufall will, wollen unsere Bekannten über Silvester dahin. Genau genommen in den Hotelkomplex Kendwa Rocks. Bodea soll da sogar auftreten und mit Afrobeats der Menge einheizen. Er entscheidet sich jedoch dagegen, will sich lieber feiernd unter die Leute mischen und zu unserem Glück möchte er uns mitnehmen! So warten wir den 31.12.2020 in Stonetown auf seinen Anruf, dass er da ist, um uns abzuholen. Um 18 Uhr ist es dann soweit und wir treffen ihn und zwei seiner Freunde vor einem nahegelegenen Hotel. Da wären zum einen der Einheimische Insaaf und auf der anderen Seite die Südafrikanerin Nizreen, die eher einer Spanierin ähnelt. Das Temperament hat sie allemal!
Wir quetschen uns also zu fünft voller Vorfreude in das Auto und dann düst Bodea auch schon los. Das Steuer auf der falschen Seite und im Linksverkehr. Das ist immer wieder gruselig… Unser Auto hat zu unserer aller Freude allerdings ein massives Problem: Die hinteren Fenster lassen sich nicht öffnen. Was uns nicht vom Schwitzen abhält. Fünf Leute, 32° C, kuscheln… Innerhalb kürzester Zeit mieft es bei uns auf der Rückbank wie im Großkatzenhaus des Berliner Tierparks. Aber seis drum. Bei den Temperaturen hier tut das jeder, wir integrieren uns vortrefflich. Die Strecke dauert ca. 2 Stunden und führt uns einmal längs über die Insel. Vorbei an noch mehr Wellblechhütten, halsbrecherischem Verkehr, handelnden Menschen, höchst schlanken Kühen, frei rumlaufenden Hühnern und über schlecht befestigte Straßen durch die jungleartige Botanik. Wir genießen es in vollen Zügen!
Ursprünglich war der Plan, uns von Kendwa ein Taxi zu unserer Unterkunft in Nungwi zu nehmen (ca 12 Minuten Fahrt), um unsere Taschen abzuschmeißen, bevor wir zur Party zurückkehren. Allerdings gestaltet sich die Taxisuche etwas schwierig. Und da bietet uns Bodea an, mal dort anzurufen und abzuklären, ob wir um die Uhrzeit (mittlerweile 20 Uhr) überhaupt noch einchecken können. Wie sich herausstellt, können wir das nämlich nicht. Ab 8 Uhr morgen früh sei wieder jemand da und dann könnten wir unser Zimmer beziehen.
Nun gut, kann man nicht ändern. Dann müssen wir die Nacht eben durchmachen. Schade.
Also schultern wir unsere Taschen und begeben uns auf den Weg. Die bei Bodea im Auto zu lassen, kommt nicht in Frage, da die realistische Chance besteht, dass er mit unseren Taschen davonfährt, wenn er die Party verlässt. Als wir das Gelände des Hotels betreten, sieht es durchaus edel aus. Es erinnert an die typischen großen Anlagen in direkter Strandnähe, die man aus allen mittleren und großen Touristen-Hotspots kennt. Dort bezahlen wir unseren Eintritt für die Sause: 25.000 Schilling pro Nase. Das entspricht in etwa 9 Euro. Dann gilt es, das große Gebäude zu umrunden, um zum Strandteil zu kommen. Dort werden wir von den Eindrücken erschlagen: weißer Sand, Lichterketten, Hütten mit Reisigdächern, bunte Farben, aufgehübschte Menschen. Es ist wunderschön.
Honigkuchenpferde sind ein Scheiß gegen uns!
Schnell finden wir auch Tilo und seine Freundin, ehe wir uns an einer zentralen Kasse anstellen. Hier müssen wir uns eine Plastikkarte kaufen, die mit Geld aufgeladen wird. Mit dieser ist hier alles zu bezahlen. Dieses System hat der Manager laut Bodea vor ein paar Jahren eingeführt, nachdem er aufgrund der Gefälligkeiten zwischen Ausschenkenden und Konsumierenden zu viel Miese eingefahren hat. Mir soll es Recht sein. Die Sache hat allerdings auch einen Haken: Guthaben, dass auf der Karte verbleibt, wird nicht wieder ausgezahlt. Also sollte man sich lieber mehrmals anstellen und die Karte immer wieder nachladen, statt zu riskieren, dass nach einem unvorhergesehenen Ereignis die Kohle futsch ist. Und das tun die Leute auch. Tatsächlich erleben wir diese Schalter den ganzen Abend nicht ein einziges Mal ohne Schlange davor.
Als wir an der Reihe sind, klimpere ich auf Bodeas Anraten kurz mit den Wimpern und flirte mit dem netten Herren hinter dem Schalter, damit er in seinem kleinen Häuschen für die Dauer des Abends unsere Taschen verwahrt. Tatsächlich lässt er sich von mir sogar dazu breitschlagen, wenn ich verspreche, meinen Freunden nichts davon zu sagen. Ich mache mir nicht die Mühe, ihm mitzuteilen, dass Tino und ich in unserer Gruppe die einzigen Idioten mit Gepäck sind und verspreche es ihm.
Mit einem Bier bewaffnet gesellen wir uns zu unserer kleinen Gruppe und quatschen. Allerdings nicht lange, weil kurz darauf eine Bühnenshow losgeht. Eine Hulatänzerin gibt ihre Künste mit einem brennenden Springseil zum Besten. Darauf folgen afrikanische Musik mit hüftewackelnden Frauen und wild tanzenden Männern. Als sie fertig sind, bleiben die Bongotrommeln zurück und untermalen die halsbrecherischen Künste einer Gruppe Artisten. Menschliche Pyramiden, wilde Flickflacks: Alles ist dabei. Sogar eine Nummer, bei der sie Hüte balancieren. Unterm Kinn, auf den Ellenbogen, auf einem Fuß, auf dem Kopf, in den Händen und im Nacken. Alles gleichzeitig. Und dann wirbelt er die Hüte wild durcheinander, lässt sie schneller die Plätze wechseln, als wir gucken können. Es ist ein bisschen wie jonglieren, aber ohne die Flugphasen. Quasi Vollkontaktjonglieren.
Video: Traditionelle Tänze - und alle Tänzer lächeln
Ich hätte gerne länger zugesehen, aber Tino zieht es zum Wasser und ich möchte ihn inmitten der vielen Leute hier ungern verlieren. Also folge ich ihm. Wie wir amüsiert feststellen, ist das Wasser hier im Norden kälter. Wobei „kälter“ auch nur ein relativer Begriff ist. Statt 29°C hat es vielleicht 26°C. Ist also immernoch warm, aber kann deutlich eher zur Abkühlung beitragen als das Wasser vor Stonetown.
Wie wir über das Gelände schlendern, quatschen, tanzen und trinken, vergeht die Zeit wie im Flug. Und plötzlich verkündet der Mann auf der Bühne, es sei gleich Mitternacht. Als plötzlich alle synchron mit ihm herunterzählen, schaue ich verwirrt auf meine Handy. Zu Recht. Das sagt mir nämlich, Mitternacht sei erst in 2 Minuten. Tino und ich zucken die Schultern und grinsen. Afrikanische Pünktlichkeit. Als das erste Jubeln und Beglückwünschen vorbei ist, wird von einem nahegelegenen Boot auf dem Wasser aus ein Feuerwerk gezündet.
Feuerwerk für die Michi
Erst als Tino mich fragt, ob alles okay sei, merke ich, dass mir ein Tränchen über die Wange kullert. Nachdem die Pyronale dieses Jahr bereits abgesagt wurde und nun deutschlandweit auch Feuerwerke verboten waren, hatte ich mich schon damit abgefunden, keines mehr zu Gesicht zu bekommen. Dass ich nun überraschenderweise doch eines sehen konnte, hat mich ungemein glücklich gemacht. Und so genieße ich den Anblick, während ich mit unseren neuen Bekannten plaudere und Tino hin und wieder abknutsche.
Ungefähr eine Stunde nach Mitternacht kippt die Stimmung aber irgendwie. Plötzlich sieht man sich anpöbelnde Betrunkene, streitende Pärchen und sogar eine Handgreiflichkeit. Tino und ich lassen uns aber nicht davon stören. Im Gegenteil. Besonders zwischen den streitenden Paaren fühlen wir uns wie zusammengeschweißt. Sollen sie doch alle streiten. Wir haben einander gefunden und sind glücklich!
Und urplötzlich fängt es an zu regnen. Wie aus Kübeln. Alle Menschen verstecken sich hektisch unter irgendwelchen Dächern und Schirmen. Nicht jedoch Tino und ich. Nach 6 Tagen des Schwitzens ist das der erste Moment, in dem wir hier nicht vor Hitze zerfließen und so lassen wir es uns nicht nehmen, wie die Kinder barfuß im Regen zu tanzen. Wir sind schneller durchnässt als wir gucken können, aber es ist eine Wohltat! Seit Tagen schmeckt meine Oberlippe das erste mal nicht salzig. Und da der DJ die Musik für uns und ca 20 weitere Menschen dennoch weiterlaufen lässt, tanzen wir, als gäbe es kein Morgen.
Nach 30 Minuten lässt der Regen endlich nach und scheint damit auch der Startschuss für 70 Prozent der Leute zu sein, sich auf den Heimweg zu machen. Wie wir feststellen, bleibt uns diese Möglichkeit allerdings verwehrt. Mein Handy verkündet mir, dass unser Gastgeber für die gebuchte Unterkunft in Nungwi ca 22:30 Uhr bereits abgesagt hat. Also hätte es nicht mal Sinn, wenn wir durchgefeiert hätten.
Was sollten wir also tun?
Tino und ich schließen uns kurz und klären schnell mit Bodea ab, dass er uns wieder mit zurück nach Stonetown nehmen kann. Aber nicht in seinem jetzigen Zustand. Er ist nämlich ziemlich betrunken. Als wir uns kurz nach 6 auf den Weg machen, beschließen wir alle (die Truppe vom Hinweg), dass ich wohl mit Abstand am fahrtüchtigsten bin. Also stelle ich mich mutig meinem Schicksal: Die Truppe und das Auto heil nach Nungwi bringen. Dort wollen wir nämlich ein wenig am Strand gammeln und frühstücken, ehe wir die vergleichsweise lange Heimreise antreten.
Mit Nizreen warten wir darauf, dass Bodea und Insaaf endlich zum Auto kommen - 6 Uhr morgens
Also stürze ich mich in mein bislang größtes Abenteuer: Auto fahren.
Auf der falschen Straßenseite.
Mit dem Steuer auf der falschen Seite.
Mit dem Schaltknüppel auf der falschen Seite. Glücklicherweise ist der aber gnädig: Das Auto ist ein Automatik.
Wenigstens sind die Pedale in diesem Höllengefährt richtig herum!
Michi sitzt auf der falschen Seite
Ich verpflichte Tino, neben mir auf dem Beifahrersitz Platz zu nehmen und für mich von dort aus im Auge zu behalten, wie viel Platz ich auf der linken Seite habe. Jemand anderem traue ich das momentan absolut nicht zu. Sind alle stramm wie die Matrosen.
Nach fünf Minuten Schotterpiste habe ich den Dreh raus, als wir an einer asphaltierten Straße ankommen. Total euphorisch und enthusiastisch setze ich den Blinker. Und sehe stattdessen, wie sich plötzlich die Scheibenwischer quietschend über die trockene Scheibe quälen.
Na super. Die Hebel sind also auch falsch herum.
Das passiert mir auf der kurzen Fahrt noch ein paar Mal: Blinker setzen und damit die Scheiben wischen. Aber seis drum. Wir kommen wohlbehalten an und schälen uns aus dem Auto. Draußen erwarten uns die traumhaften Strände von Nungwi, Lokale, die gerade öffnen und fröhliche Neujahresglückwünsche von schon-wieder-oder-immer-noch-wachen Leuten.
Wir stromern etwas orientierungslos durch die Gegend. Jeder sucht etwas anderes. Ich suche ein Klo, der Nächste Zigaretten, wieder der Nächste eine Flasche Wasser und Tino… Keine Ahnung. Aber wie ich zum Klo laufe, höre ich hinter mir nur ein „Michiiiii! Das ist so tooooooll!“ – und schon platscht das Wasser, weil er wie ein Irrer mit Anlauf hineingerannt ist. Als ich zurück komme, muss ich bei seinem Anblick schmunzeln. Der – zugegebenermaßen erwachsene – Junge planscht glücklich im Wasser, schwärmt und wirft mir immer wieder Korallenstücke und Muscheln vor die Füße, die er unter Wasser so findet.
Ein glücklicher Tino im Wasser: Und er hat es ganz für sich alleine!
Ich reiße mich zusammen und verhalte mich stellvertretend für uns beide wie eine Erwachsene: Ich bücke mich und fische bestimmt 20 Minuten lang hübsche Muscheln aus der Brandung. Als Tino herauskommt, präsentiere ich ihm stolz meine Sammlung bunter und wohlgeformter Raritäten. Ich könnte schwören, der Rest der Truppe schüttelt im Hintergrund den Kopf über uns, aber das ist mir egal. Stattdessen verstaue ich meinen Schatz in der Tasche und zücke schnell mein Handy, als ich etwas sehe, mit dem ich hier im Leben nicht gerechnet hätte:
Über dem weichen Sand und dem helltürkisen Wasser erstreckt sich zwischen den gewaltigen Wolken ein prächtiger Regenbogen. Und während ich davon ein Foto aufnehme und per Whatsapp mit der Welt teile, weiß ich: Dieses neue Jahr ist gesegnet!
Wie aus dem Katalog: Wir haben das Paradies gefunden! Aber das Einhorn hat auf sich warten lassen. Irgendwas ist ja immer...
Auf dem Weg zurück versuchen Tino und ich Bodea wach zu halten. Der Arme hat schließlich, ebenso wie wir alle, die Nacht durchgemacht. Er schlägt sich wacker und lässt sich von unseren Fragen und Erzählungen wach halten. Allerdings nur er. Denn der Rest der Bande schläft in himmlischer Ruh…
Nizreen scheint den Beifahrersitz sehr zu genießen.
Insaaf sollte uns eigentlich navigieren...