Aufgedreht wie zwei Welpen auf Koks springen wir an diesem wunderschönen Sonntagmorgen aus dem Bett und düsen den Wolken über Las Palmas davon in Richtung Puerto Rico. Auf dem Parkplatz des Hafens stellen wir unser Auto ab und stromern erstmal etwas umher – wir sind sehr früh dran.
Hier finden wir einen Kakteengarten mit unglaublich großen und vermutlich auch alten Exemplaren darin. Da fühlt man sich gleich wie irgendwo mitten in der Wüste!
Ohne groß suchen zu müssen, wir haben uns hier ja schließlich schon mal umgesehen, finden wir auch sehr schnell unser Boot – einen Katamaran mit dem formschönen Namen „Sagitarius Cat“. Davor stehen bereits eine einige Leute und beobachtet mit uns zusammen die Crew, wie sie das Boot vorbereiten.
Schnell bezahlen wir noch den Rest für unser Ticket und buchen spontan Parasailing für zwei hinzu. Dann kann es auch schon losgehen! Wir besteigen das Boot, bekommen per Lautsprecher ein paar Sicherheitshinweise und beobachten gespannt, wie wir den Hafen von Puerto Rico verlassen. Drinks sind hier inklusive, also hat flugs jeder sein Bierchen in der Hand. Schließlich haben wir hier als Vertreter unserer Nation einen Ruf zu verteidigen! Während wir also die pralle Sonne und die unendlichen Weiten des Ozeans um uns her genießen, versinken wir in Small Talk mit den anderen Passagieren, während uns die Wellen in einen entspannten Zustand schaukeln.
Unser Katamaran zieht ein Bananaboat hinter sich her – das kommt später noch zum Einsatz. Während wir so auf’s Meer hinaussehen, wird schnell klar, was ich mir schon denken konnte. Wir sehen auf der gesamten Fahrt nicht einen Delfin, Wal oder gar eine Meeresschildkröte. Aber uns stört das nicht im mindesten. Wenn wir diese Tiere unbedingt hätten sehen wollen, hätten wir uns kaum eine 40€-Bootstour auf Gran Canaria gebucht, sondern uns für ein Volunteerprogramm in einem Meeresinstitut der Karibik beworben. Stattdessen genießen wir die Aussicht und unsere Gesellschaft. Die Sonne röstet uns und wir schmieren fleißig Sonnencreme. Wobei – wo wir gerade von Delfinen und Walen sprachen, fällt uns ein: Gibt es hier Haie? Erstaunlicherweise habe ich hier – mehrere Kilometer vor der Küste – hervorragenden Netzempfang, also mache ich mich daran, ein wenig zu recherchieren. Und tatsächlich! Um die Kanaren leben sogar eine Menge unterschiedlicher Hai-Arten! Darunter sind auch Hammerhaie und Weiße Haie. Die findet man sehr weit draußen in den tiefen und kalten Gewässern des Ozeans. In Küstennähe finden sich Sandbank- und Engelshaie. Beide Arten sind eher klein und ungefährlich. In den letzten 15 Jahren gab es auch nur drei bestätigte, unprovozierte „Angriffe“ auf den Kanaren. „Unprovoziert“ kann aber auch bedeuten, dass irgendein armer Schlumpf im flachen Wasser auf einen der gut getarnten Engelshaie gelatscht ist. Naturgemäß finden die das nicht sonderlich pralle. Da würde ich als Hai wohl auch empört nach dem fiesen Fuß schnappen.
Draußen, weit vor der Küste, wird unser Boot etwas langsamer. Einige Leute haben wohl Jetski-Fahren gebucht und dürfen sich jetzt hier austoben. Wir beobachten aus halbem Augenwinkel, wie die Leute glücklich quietschend an uns vorbei über die Wellen düsen. Kurz meint es ein Pärchen wohl etwas zu gut – sie schaffen es, ihren Jetski spektakulär zum Kentern zu bringen. Nachdem der Spuk vorbei ist, versammeln sich alle wieder an Bord, wo wir Essen serviert bekommen. Gegrilltes Hähnchenfilet mit Pellkartoffeln und Salat. Während wir genüsslich muffeln, steuert unser Katamaran die Küste an.
Dort angekommen, geht unser Schiffchen vor Anker und unser großer Auftritt kommt: Jetzt ist Schnorcheln angesagt!
Tino und ich lassen uns nicht lange bitten: Raus aus den Klamotten, Maske auf und dann sind wir auch schon schneller über Board gejumpt, als man ‚Schnorcheln‘ sagen kann. Die Crew wirft von der Reling aus gekochte Kartoffeln in’s Wasser und wir beobachten unterhalb der Wasseroberfläche, wie ein riesiger Schwarm von Geißbrassen sich darüber her macht. Das sind bestimmt 200-300 Tiere!
Etwas später, als langsam Ruhe einkehrt, finde ich unter unserem Katamaran einen Trompetenfisch! Die sind groß und sehr scheu, aber ich freue mich trotzdem wie ein kleines Kind über den Anblick und nötige natürlich auch gleich Tino, gucken zu kommen.
Wir sind gerade kurz mit dem Kopf über Wasser, da hören wir aus den Lautsprechern eine Ansage: Wer Parasailing gebucht hat, aber trotzdem die kostenlose Bananaboat-Tour mitnehmen will, solle sich jetzt anstellen kommen. Natürlich lassen wir uns das nicht entgehen. Bananaboat ist nichts, was ich mir einfach so gebucht hätte. Aber wenn das hier schon inklusive ist, werde ich das Angebot mitnehmen. Schließlich möchte man ja ein paar Erlebnisse auf seiner Agenda haben. Also krabbeln wir über die Leiter wieder auf den Katamaran – natürlich nicht, ohne uns die Schienbeine heftig an den Metallstreben anzuschlagen – und schlüpfen oben in ein paar Rettungswesten.
Da kommt auch schon die Banane und wir werden alle draufgebeten. Tino soll nach ganz hinten. „Toll…“, denke ich mir, „wenn er runterfällt, kriegt das keiner mit und ich finde ihn ewig nicht wieder – wie bei IKEA.“ Ich sitze direkt vor ihm und schärfe ihm ein, mit seinen Beinen Körperkontakt zu mir zu halten. Ich will nicht nach fünf Minuten feststellen, dass ich meinen Mann verloren habe. Und bevor wir uns noch weiter unterhalten können, flitzt das Jetski an dem wir hängen, auch schon los. Wir fliegen über das Wasser und werden von der Wucht der Wellen ordentlich durchgeschüttelt. Massenweise Gischt schlägt uns in’s Gesicht und ich bekomme so viel Salzwasser in die Augen, dass ich blind weiterfahre. Mal eben loslassen und sich das Wasser aus den Augen reiben ist nicht drin. Es sei denn, man möchte selbst zurückschwimmen. Ich kann gerade drauf verzichten. Also johle ich mit allen mit und klammere mich an dem dünnen Griff fest. Bevor wir nach dieser erfrischenden Tour mit dem Parasailing dran sind, haben wir noch etwas Zeit. Also springen Tino und ich noch einige Male beherzt vom Boot und genießen das Planschen neben der steilen, steinigen Küste der Insel.
Das Parasailing gestaltet sich als echtes Highlight. Eine kleine Stimme in meinem Hinterkopf sagt mir, dass mir jetzt eigentlich der „Arsch auf Grundeis“ gehen sollte, aber der kleine, vorwitzige Optimist in mir quatscht ihn nieder, dass bei den Temperaturen hier sowieso kein Eis ist. Also hat mein Hinterteil Pech gehabt. Stattdessen macht sich Vorfreude in mir breit. Tino neben mir sieht kurzzeitig etwas nervös aus, aber ich schiebe seine Aufregung in vorfreudigere Bahnen. Und dann geht alles ganz schnell. Wir werden in Gurten festgezurrt, ähnlich Klettergurten. Dann werden wir per Karabiner in eine Schaukel an dem Fallschirm gehängt. Bevor einer von uns ‚Piep‘ sagen kann, bedeutet uns der Instrukteur, uns hinzusetzen. Halb frage ich mich noch, wieso wir uns hinsetzen sollen, mache aber brav, was der nette Mann sagt. Und dann drückt er einen Knopf und uns reißt es vom Boot. Allerdings nicht, wie die anderen vor uns direkt in die Lüfte. Nein. Unsere dicken Hintern rutschen von der Kante des kleinen Bootes und werden erstmal kurz durch den Ozean geschleift, bevor der Bootsführer Gas gibt, damit es unsere Wohlstandskörper auch mal nach oben schaffen.
Tino und ich lachen uns wegen dieser Situation die Seele aus dem Leib und sehen dann gebannt zu, wie die Welt um uns her kleiner wird. Es ist ein bisschen wie beim Abheben mit dem Flugzeug, aber viel besser. Weil man den Wind auf der Haut spürt und ALLES sehen kann. Wir nutzen die Bauart der Konstruktion sogar direkt aus und schaukeln ein bisschen im Wind. Den Blick auf die Weiten des Ozeans gerichtet und die Hände ineinander verschränkt. Es ist gleichzeitig aufregend und romantisch, aber auch unwirklich und nicht so richtig greifbar.
Ich für meinen Teil habe mich da oben nicht groß oder bedeutend gefühlt. Eher klein und unscheinbar. Wie ein Blatt im Wind. Aber diese Perspektive kann ich nicht schlecht finden. Im Gegenteil: Das rückt im Kopf vieles zurecht. Es dampft den Größenwahnsinn etwas ein und macht einen wieder bescheiden. Ich sehe auf das blaue Wasser unter mir und merke mal wieder: Die Welt da unten gehört mir nicht. Wir sind nur Gäste auf diesem Planeten. Und wir müssen Rücksicht nehmen. Wenn schon nicht unserer Umwelt, dann wenigstens unseren Kindern zuliebe. Wenn ich möchte, dass meine Kinder auch mal einen Schwarm Geißbrassen beim Schnorcheln beobachten können, sind Strohhalme, Plastikverpackungen, Peelings und Erdöl definitiv der falsche Weg.
Denn so ungern ich es zugebe: Wir sehen beim Schwimmen sehr oft und sehr viele, kleine Plastikteilchen im Wasser schwimmen. Wie Granulat treibt es in den Wellen zwischen den Algen und man puhlt es sich am Ende genauso aus dem Badeanzug wie den Sand. Und das ist weder schön noch richtig so.